ABSCHNITT V: DAS DENKSYSTEM

Scientology bietet ein umfangreiches und höchst elaboriertes Denksystem, das verschiedene Aspekte der menschlichen Erfahrung interpretiert und erläutert. Mit ihrem gelehrten, studienorientierten Zugang zu ihrem Werk ist sie die neue Scholastik, attraktiv für Menschen, die ihre Lebenserfahrung gern organisieren, begrifflich fassen, systematisieren und verstandesmäßig betrachten. Sie lehrt kein bestimmtes Konzept von „Gott“ oder dem „Höchsten Wesen“, auch wenn sie sich ziemlich großartig – und vage – auf eine „Achte Dynamik“ bezieht, der höchsten in einer Hierarchie von insgesamt acht Beziehungen, in die die Leute ihre Energien investieren können; aber sie gibt kaum eine Anleitung oder Erläuterung, wie man in Bezug auf diese „Dynamik“ vorgehen sollte oder was man erwarten dürfte, dort anzutreffen.

Aber Scientology lehrt sehr klar und deutlich – oder ermöglicht es ihren Anhängern zu entdecken –, dass sie „geistige Wesen“ sind, die eine kontinuierliche Existenz in aufeinanderfolgenden sterblichen Körpern über den Tod hinaus besitzen. Diese zentrale Lehre oder Entdeckung, die von fast allen Befragten als ihre eigene Überzeugung erwähnt wird, ist für sich genommen schon eine bedeutsame Differenzierung von nicht-religiösen Philosophien und Psychologien. Es ist ein Konzept, das für mehrere Religionen charakteristisch ist, aber praktisch für kein Denksystem, das nicht-religiös ist.

Scientology bietet ein umfangreiches und höchst elaboriertes Denksystem, das verschiedene Aspekte der menschlichen Erfahrung interpretiert und erläutert.

Wichtiger noch ist, dass diese Anschauung von der Wirklichkeit sowie ihre damit verbundenen Implikationen den Hunger der meisten Anhänger nach elementarer Sinngebung zu stillen scheinen. Einige der Befragten bezeichneten sich selbst als „Suchende“, die eine Religion nach der anderen ausprobiert und alle unbefriedigend gefunden hätten, bis sie auf Scientology stießen und darin andauernde Befriedigung fanden. Wie es einer von ihnen ausdrückte: „Derartige Fragen machen mir keine Sorgen mehr.“

Auch wenn Scientology keine spezifische Antwort auf jede vorstellbare theologische Fragestellung bereit hat (genauso wenig wie einige anerkannte Religionen), scheint sie in der Lage gewesen zu sein, ihren Anhängern das Vertrauen beizubringen, dass sich die Existenz in einem im Grunde sinnvollen und verlässlichen Rahmen abspielt, in dem zielstrebige menschliche Aktivität möglich und wirkungsvoll ist.

In der Hinsicht, dass sie die Ängste ihrer Anhänger über den elementaren Sinn des Lebens besänftigt (sofern sie diese nicht ausdrücklich beantwortet), ist Scientology eine Religion, und zwar funktionell sogar eine sehr effektive. Angesichts der Analyse im obigen Abschnitt IV ist dies die einzige notwendige und hinreichende Eigenschaft einer Religion, jeder Religion, und keiner anderen Form menschlichen Strebens. Nicht alle Anhänger von Scientology sind auf der Suche nach diesem Produkt oder dieser Dienstleistung zu ihr gekommen, und nicht alle haben diese Stufe der Erkenntnis erreicht, aber dies trifft auf alle Religionen zu. Von allen Interviewpartnern, die befragt wurden, berichtete niemand, der zuvor religiöse Konfusion empfunden hatte, dass diese Ratlosigkeit bei Scientology andauerte. Es mag den einen oder anderen gegeben haben, der weiterhin ratlos war, es aber nicht zugab; wahrscheinlicher ist, dass diejenigen Personen, die noch immer unzufrieden waren, sich von Scientology abwandten – wie es einige tun – und weiterhin woanders suchen. Dies zieht nicht die Tatsache in Zweifel, dass Scientology für diejenigen, die bei ihr bleiben, die Funktion einer Religion ausüben mag.

Zusätzlich zu dem vorhergehenden schlüssigen Ergebnis bezüglich Scientology gibt es andere Feststellungen, die dazu beitragen – auch wenn sie für sich selbst nicht rechtsbegründend sind –, das Urteil zu untermauern, dass Scientology eine Religion ist:

1. Der „beichtartige“ Charakter des „Auditings“

2. Die Lehre (egal, ob sie objektiv wahr ist oder nicht), dass Menschen im Grunde gut sind

3. Die Betonung auf Moral in menschlichen Beziehungen

4. Die Fähigkeit, Personen vom Drogenkonsum weg zu bekommen

5. Das Zelebrieren von Trauungen durch Kirchenpersonal

6. Die Konzentration auf „Hilfe gegenüber anderen“, die zu Programmen der Kirche für die Älteren, Ablehnung von Elektroschock-Therapie und Leukotomie als Methoden zur Behandlung von geistigen Krankheiten und Ähnlichem geführt hat.

Dean M. Kelley
1980
aktualisiert Juni 1996

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